Sudan 1975/76

Sudan 1975/76

Horst Herzfeld erinnert sich nach 30 Jahren

Nachdem ich die ersten Hürden meiner Tauchausbildung — die unverzichtbaren DLRG-Grund- und Leistungsscheine — überwunden hatte, konnte ich im Frühjahr und Sommer 1972 im Alter von 49 Jahren bei Heinz Kraus meine Tauchausbildung mit den Tauchscheinen A und B erfolgreich abschließen. Später ergänzte ich dann meine Ausbildung durch die CMAS-Prüfungen Bronze und Silber.

Als damaliger Tauchneuling mit knapp dreijähriger Erfahrung, war ich stolz darauf, dass Nobert Tonk und Gernot Nöther, sowie Werner Scheier mich im März 1975 zu einem Profitauchen nach Port Sudan mitnahmen, das Walti Guggenbühl (damals Sub Aqua, heute Subex) veranstaltete.
Dies waren meine schönsten Taucherlebnisse bis zum heutigen Tage. Das Abenteuer begann bereits mit der Anreise. Lufthansa bis Khartum, von dort aus Weiterflug nach Part Sudan mit achstündiger Verspätung (Grund war die damals die Lorenz Entführung in Berlin) mit der Air Sudan Propellermaschine für 20 Passagiere. Doch 25 Passagiere wurden mitgenommen, wobei 5 Passagiere sich in den Mittelgang hockten. Nach dem Start kam der Copilot mit der Anweisung die 5 Passagiere im Mittelgang müssten weiter nach vorne kriechen, weil die Maschine sonst zu schwanzlastig sei und deshalb nicht über den Berg komme. Durch die Verspätung landeten wir erst nachts bei Dunkelheit auf unserem „Zielflughafen“, dessen Sandlandepiste mangels Strom mit Fackeln beleuchtet wurde. Das Flugzeug wurde aus auf Eselskarren liegenden Benzinfässern aufgetankt und wieder startklar gemacht. Mit Hilfe eines offenen LKWs wurden wir anschließend 25 km durch die nächtliche Wüste zu dem ehemals englischen Red Sea Hotel gekarrt.

Im Hotel hatte ich zusammen mit Gernot Nöther ein Doppelzimmer. Durch den vorangegangenen Sandsturm war alles — auch die Betten — voller Sand und Staub, so dass uns ziemlich schnell mächtig die Zähne knirschten.

Tags darauf begann dann endlich unsere Tauchfahrt mit unserer Sondergruppe von 6 Leuten auf einem uralten Kutter. Zunächst machten wir eine Tagesfahrt zu dem vor dem Hafen von Port Sudan liegenden Wrack der „Umbria“, die während des Krieges von den Engländern versenkt wurde.

Zwei Tage darauf fuhren wir dann zum einigen Stunden entfernt liegenden Leuchtturm-Riff Saganeb. Während eine zweite, größere Tauchgruppe dort verblieb, fuhr ich zusammen mit Walti Guggenbühl, Norbert Tonk, Gernot Nöther und Werner Scheier zum Riff Schab-Rumi. Bei Schab-Rumi befinden sich die Unterwasserhäuser von Cousteau. Wir blieben eine Woche dort um die Unterwasserwelt zu erkunden. Unser alter Kutter hatte keine Toilette. Unsere Toilette war das Meer. Wenn auch die Haie für uns Taucher in der Regel ungefährlich waren, so mussten wir bei unserem „Geschäft“ im Meer immer einen Begleiter als Beobachter dabei haben, der rechtzeitig Alarm schlug falls die Riffhaie doch einmal gefährlich wurden, denn während sie vor uns als Taucher scheinbar Respekt hatten, waren wir für sie an der Oberfläche schwimmend auf einmal wohl eher „kranke Fische“, die als Festmahl verspeist werden können.

Ein Jahr später trieb mich meine taucherische Abenteuerlust nochmals nach Port Sudan. Damals tauchte ich zusammen mit einem Franzosen, der genauso wenig der deutschen, wie ich der französischen Sprache mächtig war. Als wir am Torwati Riff vor Port Sudan tauchten, ankerte das Schiff auf der Flachseite vom Riff. Wir mussten ca. 200 m über das Riff schwimmen um die Steilwand zu erreichen. Als wir in ca. 40 m Tiefe eine Haibegegnung hatten, stand mein Finimeter plötzlich auf fast 0. Ich verabschiedete mich von meinem französischen Tauchpartner, stieg hoch und schnorchelte dann die 200 m zurück bis zum Schiff. Als ich dann auf dem Schiff war, hatte meine Flasche plötzlich wieder 130 atü. Die Ursache klärte sich wie folgt: Die einheimischen Schwarzen hatten die Flasche zuvor mit Gewalt zu gedreht und dabei den Kegel vom Ventil zerquetscht, so dass sich die Flasche nicht mehr richtig öffnen ließ. Da man in 40 m Tiefe die vierfache Luftmenge braucht, konnte durch das Ventil nicht genügend Luft nach strömen. Dadurch zeigte der Finimeter 0.
Bei einem Nachttauchgang auf Saganeb wurde die Batterie meiner Lampe leer. Als wir auftauchten, blieb ich mit der Flosse in einer Messingangeischnur mit Haken hängen und kam nicht mehr los. Mein Franzose, der mittlerweile aufgetaucht war, kam mit seiner Lampe zurück und befreite mich aus der Verhedderung. Bei einem Tauchgang in den Unterwasserhäusern von Cousteau auf dem Schab-Rumi Riff konnte ich mich dafür später durch Wechselatmung revanchieren, als diesem die Luft ausging.
Das ist eben Völkerverständigung ohne des anderen Sprache zu können.

Nun noch einige Bemerkungen zu meinen damaligen Tauchanfängen:
Tauchcomputer gab es noch nicht. Grundlage für die Einhaltung von Dekozeiten waren damals zwei Formeln — eine für weniger und eine für mehr als 40 m Tauchtiefe – sowie die berühmte Deko-Tabelle. Ein Dekompressiometer mechanischer Art war uns ebenfalls bei der Einhaltung unserer Dekozeiten behilflich. Als Tarierhilfe diente uns die gute, alte Fenzi-Weste zum Aufbiasen per Mund und mit einer 0,5 1 Pressluftflasche für den Notaufstieg. Für die Unterwasserfotografie besaß ich eine Nico 2 Kalypso Kamera, einen Beutel extra große Blitzbirnchen und Experimentierfreudigkeit. Glücklicherweise könnte ich auf einige Erfahrungen von Walti Guggenbühl und Norbert Tonk zurückgreifen. Trotzdem waren damals immer noch 80 bis 90 % der Unterwasseraufnahmen Ausschuss.

Die aufregendsten Fotografiererlebnisse hatte ich seinerzeit bei der Aufnahme von 5 m langen Hammer- und Weissspitzenhaien bei Schaab Rumi. Es war damals ein tolles Gefühl, weil man nicht so richtig wusste wie die Haie einzuschätzen sind. Wollten sie etwas von einem oder waren sie nur neugierig? Zur Beruhigung hatte Gernot immer einen Besenstiel dabei. Ob dieser im Ernstfall was genutzt hätte, ist mir bis heute noch ein Rätsel. Doch Walti kannte sich gut aus und hatte zu unserer Beruhigung viel Erfahrung, zumal er früher mit Hans Hass getaucht hatte. Es war damals alles ganz anders als heute. Es waren noch Abenteuer für uns aber auch für die Fische. Heute wissen nicht nur wir, sondern auch die Fische was sie von uns zu halten haben. Die Welt – über und unter Wasser — hat sich verändert.

Mittlerweile mache ich nur noch ca. 5 bis 10 Gelegenheitstauchgänge in meinem Alter von 80 Jahren, die ich aber noch weiter aufrecht erhalten will um nicht aus der Übung zu kommen.

Euer, ich glaube an Jahren ältester Taucher.

Horst Herzfeld – Für die Festschrift 40 Jahre Tauchsportgruppe Forschungszentrum Karlsruhe, 2003


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